Im doppelten Ghetto: 'Moonlight' von Barry Jenkins***
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In einem mehrfachen Ghetto lebt Chiron: als Schwarzer, als jugendlicher Außenseiter, als einsamer Schwuler.
In drei Abschnitten zeigt der oscargekrönte Film des 37-jährigen, farbigen Regisseurs Barry Jenkins seine Entwicklung vom verschlossenen, schmächtigen Kind bis zur Karriere als muskelbepacktem, einzelgängerischem Drogendealer. Im ersten Teil lebt Chiron, der zu dieser Zeit "Little" genannt wird, mit seiner drogenabhängigen Mutter in einer schwarzen Vorstadt von Miami/Florida. Als schweigsamer Einzelgänger hat nur einen einzigen Freund, Kevin, der ihn immer wieder ermuntert, kein Weichei zu sein und sich gegenüber den anderen Jungs zu behaupten. Auch der schwarze Kubaner Juan, der seine Mutter mit Stoff versorgt, bemüht sich wie ein Ziehvater. aus "Little" einen echten Mann zu machen, indem er ihm beispielsweise das Schwimmen im Meer beibringt. Auch in der Schule - der zweite Teil spielt einige Jahre später - bleibt Chiron, der nun von allen auch so genannt wird, ein separater Einzelgänger, von brutalen Mitschülern deshalb als Schwuchtel verhöhnt und auch tätlich angegriffen. Nur Kevin hält zu ihm, wagt sogar eine körperliche, sexuelle Berührung, die Chiron innerlich "befreit" und sich danach in einem unerwartet brutalen Angriff auf einen ihn beleidigenden Mitschüler entlädt. Im dritten und letzten Abschnitt des Films hat sich Chiron, der nun "Black" genannt wird, zu einem körperlich kräftigen Mann entwickelt. Nicht mehr in Florida, sondern in Atlanta, wo seine Mutter in einer geschlossenen (Entzugs-)Anstalt untergebracht ist, handelt er erfolgreich mit Drogen. Bis er einen Anruf von Kevin erhält, der inzwischen Koch und Angestellter eines Coffeeshops in Miami geworden ist, zudem glücklicher Vater eines kleinen Sohnes. Die beiden unterschiedlichen Freunde treffen sich wieder und resümieren in einem langen Gespräch ihr bisheriges Leben...
Das Drehbuch von Regisseur Barry Jenkins adaptiert das - nie aufgeführte - Theaterstück eines Autors, der wie Jenkins in dem scharzen Vorort von Miami in dem es spielt, aufwuchs und den poetischen Titel trägt: "In Moonlight All Black Boys Look Blue". Entsprechend zeigt die letzte Einstellung des Films Chiron als Neunjärigen am Strand von Miami und seine dunkle Haut hat im Mondschein einen starken blau-violetten Schimmer. Es ist die formale Vielfalt und Schönheit solcher Einstellungen, die dem an sich konventionellen Ghetto-Drama mit seinen oft klischee-beladenen Szenen und Figuren eine überraschende Ausdruckskraft verleihen. Die Erzählweise ist schnell, oft abrupt oder sprunghaft, das Licht reflektiert die vielfältigen, meist hellen Farben Floridas, die Kamera balanciert dramatugisch zwischen Schärfe und Undeutlichkeit, der Ton ist raffiniert gemixt - ein paar Takte Mozart, viel schwarzer Pop ("Every Nigger is a Star") - manche Sequenzen bleiben stumm - verweisen auf Chirons Unfähigkeit sich auszudrücken.
Daß diese Gradwanderung einer ungewöhnlichen filmischen Erzählweise gelingt, verdankt sie vor allem einem bestens ausgewählten Schauspieler-Ensemble, insbesondere den drei überzeugenden Darstellern der Hauptfigur: Alex Hibbert (Little), Asthon Sanders (Chiron),Trevante Rhodes (Black). Besonders eindrucksvoll durch seine starke Präsenz als Drogendealer mit väterlichen Gefühlen: Mahershala Ali als Juan - er erhielt dafür den Oscar als bester Nebendarsteller.
Auch wenn sie ausschließlich unter Farbigen spielt, diese Coming-of-Age Geschichte ist weder neu, noch überraschend und vor allem im Schußteil sehr Theater-lastig. Doch die originelle, fantasievolle und zupackende Filmsprache verhilft ihr zu einem schönen und anrührenden Kino-Erfolg.
Poster / Verleih: DCM Filmdistribution
zu sehen (Woche 9.-15.3.): Babylon Kreuzberg (OmU); CinemaxX Potsdamer Platz; CineStar Sony Center (OV); Filmkunst 66 (dt, und OmU); Filmtheater am Friedrichshain; Hackesche Höfe Kino (OmU); International (OmU); Kant-Kino; Kino in der Kulturbrauerei (dt. und OmU); Moviemento (OmU); Neues Off (OmU); Odeon (OmU); Rollberg (OV); New Yorck
Ein weites Land: 'Certain Women' von Kelly Reichardt****
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Eine Klein-Stadt im US-Bundesstaat Montana, die nähere Umgebung: ein flaches, winterliches Land, in der Ferne die schneebedeckten Gipfel der Rocky Mountains. Vier Frauen stehen im Mittelpunkt dreier lose miteinander verknüpften Geschichten.
1. Laura (Laura Dern), eine Anwältin mittleren Alters, hat Schwierigkeiten mit einem Klienten, der ihren juristischen Ratschlag - nicht zu klagen - erst dann beherzigt, als ein männlicher Rechtsanwalt diesen klar bestätigt. Der danach einen Polizisten in Geiselhaft nimmt, und Laura mitten in der Nacht den unblutigen Ausgang vermitteln darf.
2. Die Geschäftsfrau Gina (Michelle Williams) macht mit Mann und pubertierender Tochter einen Camping-Urlaub und träumt von einem eigenen Haus, für das sie umherliegende Sandsteinhaufen einem alten Mann geschickt und freundlich abhandelt.
3. Eine Pferdepflegerin mit indianischen Wurzeln, Jamie (Lily Gladstone), verliebt sich in Beth (Kristen Stewart), eine junge Abendschul-Lehrerin, die gerade ihr Jura Examen bestanden hat. Ob die etwas überanstrengt wirkende Beth die herzlich und unschuldig wirkenden Gefühle der vereinsamten Jamie erkennt, und was sie darüber denkt, bleibt offen. Als sie ihren abendlichen Zusatz-Job (wegen der zu langen Anfahrt in die Schule) aufgib, kommt es zu einer letzten, stummen Begegnung.
Die amerikanische Regisseurin Kelly Reichardt, die mit Filmen über starke Frauen wie "Wendy und Lucy" oder "Meek's Cutoff" berühmt wurde, schildert in ihrem neuen Werk - dessen Drehbuch sie bassierend auf Kurzgeschichten der aus Montana stammenden Autorin Maile Meloy verfasste - auf ganz unspektakuläre Weise die Befindlichkeit und Sehnsucht von vier sehr "normalen", durchschittlichen Amerikanerinnen, die ihren jeweiligen Alltag meistern müssen. Das Wunderbare daran ist, daß die Regisseurin dies nicht in ausführlichen und / oder erläuternden Dialogen, sondern in sorgfältig ausgesuchten und raffiniert montierten Bildern und Sequenzen erzählt. Stumme Blicke und charakteristische Bewegungen machen deutlich, was im Innern der Frauen vorgehen könnte. Dabei spielt die winterliche Landschaft Montanas nicht nur den optisch dekorativen Hintergrund, sondern öffnet sich als vielschichtiger Resonanzraum für Gedanken und Gefühlen der vier.
Die klaren und offenen Gesichter der Star-Schauspielerinnen sowie ihre darstellerische Präsenz lassen die unterschiedlichen Verhaltensweisen und persönlichen Eigenschaften der Frauen äußerst lebendig und nachvollziehbar werden. Frauen, die allen widrigen Umständen zum Trotz sich nicht unterkriegen lassen, und die lakonisch und zäh ihr Alltags-Leben zu bewältigen versuchen.
Ein ebenso schlicht wie elegant inszenierter Film über vier Frauen von heute - ohne jeden ideologisch-feministischen Zeigefinger, dafür voller Empathie und kluger Menschen-Beobachtung.
Poster / Verleih: Peripher
zu sehen: Brotfabrik-Kino; Central Hackescher Markt; City Kino Wedding; Filmkunst 66; fsk Oranienplatz; in allen Kinos nur in "OmU" -Fassung.
Starke Gefühle: 'Lion' von Garth Davis***
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Der fünfjährige indische Junge Saroo und sein älterer Bruder Guddu leben zusammen mit ihrer Mutter in einem armen westindischen Nest. Immer auf der Suche nach Essbarem oder einer möglichen Hilfsarbeit. Auf dem nahen Bahnhof steigt eines späten Abends der müde Saroo in einen leeren Zug und schläft ein. Plötzlich setzt sich der Zug in Bewegung, die Türen sind verschlossen und nach 1600 Kilomentern landet Saroo in Kalkutta. Da er den Namen seines Heimatorts oder dessen Bezirk nicht kennt, und er nur Hindi versteht, in Kalkutta aber Bengali gesprochen wird, treibt er sich ganz allein mehrere Wochen durch die pulsierende Großstadt, entgeht mit Glück allerlei Gefahren, bis er (durch die Polizei) in ein städischen Heim eingewiesen wird. Doch auch hier hat er Glück und wird - nachdem die öffentliche Suche nach Mutter oder Heimatort erfolglos bleibt - von dem wohlhabenden australischen Ehepaar Sue und John Brierley zusammen mit einem weiteren Waisenjungen adoptiert.
Saroo wächst so als junger Australier wohlbehütet und glücklich auf. Später besucht er eine Hotelfachschule in Melbourne. Bei einer Party erinnert ihn der Anblick eines indischen, süßen Gebäck-Kringels an seine Kindheit und in ihm erwacht die unwiderstehliche Sehnsucht nach seiner wahren Famile und Heimat. Mit Hilfe von Google-Earth sucht er dieses Heimatdorf, identifizierbar für ihn durch das Muster der Bahnhofsgeleise und eines Wasserturms. Er steigert sich in diese Heimatgefühle so übermäßig, daß er seine Freundin Lucy vernächlässigt und auch seine australischen Eltern zu deren Kummer meidet. Nach vielen vergeblichen Versuchen gelingt es ihm eines Nachts, auf seinem Laptop mit Hilfe von Google sein Heimatdorf zu erkennen. Er reist dorthin und kann nach über zwanzig Jahren seine leibliche Mutter in die Arme schließen.
Der australische Regisseur Gareth Davis erzählt diese Geschichte linear und schnörkellos in opulenten Bildern. Die erste Stunde zeigt den kleienen Saroo ( Sunny Pawar) in seiner ländlichen, aber armseligen Heimat und im kalt-brutalen Kalkutta mit seinen zwielichtigen Gestalten. Gesprochen wird ausschließlich in indischen Dialekten (entsprechend untertitelt). Ohne größere Überleitung schließt sich der zweite Teil an, der nun den erwachsenen Saroo (Dev Patel) als "normalen", westlichen Studenten der Hotelfachschule zeigt, sowie dessen plötzliche Gefühls-Anwandlungen für seine indische Abstammung und Identität., Diese inneren Kämpfe mit sich und seinen australischen Eltern und Freunden werden in etwas zu langen Sequenzen und mit viel pathetischer (Musik-)Untermalung durchdekliniert, während das Wiedersehn mit Heimat und Mutter ziemlich knapp, wenn auch tränenreich (für Darsteller wie Publikum!) geschildert wird.
Der Film beruht auf Tatsachen - im Abspann sind die Fotos der echten Personen zu sehen. Die Darsteller auf der Leinwand sind so überzeugend wie beeindrckend: der indische Kinderstar Sunny Pawar durch seine Natürlichkeit, der "erwachsene" Dev Patel durch seine Wandlungsfähigkeit sowie Nicole Kidman als liebeswert-herzliche Adoptivmutter. Markante Panoramen und Interieurs kontrastieren effektvoll das Leben in Indien und Australien. Verstärkt durch geschickt eingesetzte Musik mit westlichen wie indischen Tönen wird diese von Australien produzierte "Lange Reise nach Hause" (so der deutscher Untertitel) zum ausladend-üppigen Gefühls-Kino nach bewährter Hollywood-Art.
Poster / Verleih: Universum Film GmbH
zu sehen: Blauer Stern Pankow; Capitol Dahlem; CinemaxX Potsdamer Platz; Titania Palast Steglitz; Cubix Alexanderplatz; CineStar Sony Center (OV); CineStar Tegel; Delphi; Filmkunst 66 (OmU); Filmtheater am Friedrichshain; Hackesche Höfe Kino (OmU); Kant-Kino; Kino in der Kulturbrauerei (dt. und OmU); Rollberg (OmU); Yorck
Weichgezeichnet: 'Hidden Figures - Unerkannte Heldinnen' von Theodore Melfi***
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Anfang der 1960er Jahre kam es zum Wettlauf zwichen der USA und der Sowjetunion, wer zuerst eine bemannte Rakete zu einer Erdumrundung starten könnte. Im April 1961 gelang dies den Russen. Daraufhin stand die amerikanische Weltraumbehörde NASA unter erhöhtem Druck - zumal der Kalte Krieg auf seinem Höhepunkt angelangt war.
Bei der NASA in Virginia arbeiteten auch schwarze Frauen als überprüfende Rechnerinnen der vom ausschließlich weißen Männer-Kollektiv erarbeiteten Daten, die den geplanten Flug einer Atlas-Rakete mit dem Piloten John Glenn ermöglichen sollten. Da jedoch noch die Rassengesetze galten, mußten die farbigen Frauen in abgetrennten Büro-Komplexen arbeiten. Die Berührungspunkte mit den weißen Wissenschftlern sollten auf ein Minimum reduziert werden. Doch drei der schwarzen Mathematikerinnen erwiesen sich als so außergewöhnlich begabt und erfinderisch, daß sie trotz aller Vorurteile gegenüber Frauen und trotz der diskriminierenden Apartheits-Gesetze aus pragmatischen Gründen in die männlichen Wissenschafts-Teams aufgenommen - wenn auch nicht entsprechend dienstrechtlich befördert wurden.
Die Geschichte dieser drei "Unerkannten Heldinnen" - Katherine Johnson, Dorothy Vaughan, Mary Jackson - ezählt der oscarnominierte Film von Regisseurs Theodore Melfi - zwar auf Tatsachen beruhend, aber dramatisiert und ausgeschmückt nach den bewährt-gefälligen Regeln des Hollywood-Kinos. Die drei Damen sind nicht nur hübsch anzusehen und hoch-elegant gekleidet, sondern haben auch immer den passenden Spruch auf der Zunge, wenn ihnen mal wieder ein schoofliger weißer Kollege, die Türe vor der Nase zuknallt oder sich weigert, sich aus der selben Kaffeekanne zu bedienen. Nüchtern, fast dokumentarisch fallen die Szenen aus, die die Vorbereitung zum Raumflug betreffen oder die zeigen, wie erstmals ein Groß-Computer installiert und programmiert wird - natürlich nicht ohne die entscheidende Hilfe der farbigen Wissenschaftlerinnen. Problematisch aber sind die Szenen, die das Privat- und Familienleben der Frauen schildern (besonders das von Katherine Johnson): da wird der Film zur verkitschten Soap-Opera und zum süßlichen Wohlfühl-Kino.
Dennoch: der historische Blick zurück auf die Zeit vor dem "Civil Right Act", der 1964 die Rassentrennung formal aufhob, lohnt sich, zumal bis heute die Gleichstellung der Geschlechter weder erreicht noch die Rassen-Ressentiments verschwunden sind. Und daß der Film so ansehenswert und unterhaltsam ist, verdankt er vor allem den mitreißenden Spiel und Temperament seiner drei wunderbaren Darstellerinnen: Taraji P.Henson als Katherine Johnson. Octavia Spencer als Dorothy Vaugham und Janelle Monáe als Mary Jackson.
Von den drei "Hidden Figures" lebt nur noch Katherine Johnson, sie erhielt als einzige für ihre Leistungen die "Presidential Medal of Freedom" - im Jahr 2015 von Barack Obama!
Poster / Verleih: Fox Deutschland
zu sehen: Astor Film Lounge; b-ware!-ladenkino (dt. und OmU); Capitol Dahlem; CinemaxX Potsdamer Platz; Titania-Palast; CineStar Treptower Park; Cubix Alexanderplatz; CineStar Sony Center (OV); CineStar Tegel; Kino in der Kulturbrauerei /dt. und OmU); Kino Spreehöfe; Rollberg (OmU); UCI Colosseum; Zoo-Palast
Black Family: 'Fences' von Denzel Washington***
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Ein überwiegend von Schwarzen bewohnter Vorort von Pittsburgh in den späten 1950er Jahren. Troy Maxson (Denzel Washington), beschäftigt bei der Müllabfuhr, ist seit 18 Jahren mit Rose (Viola Davis) verheiratet. Sie haben einen gemeinsamen Sohn, Cory (Jovan Adepo), der noch zur Schule geht und sich dort als großes Football-Talent profiliert. Die Familie wohnt in einem bescheiden Haus mit Hinterhof und Gärtchen darin, manchmal schaut Lyons (Russell Hornsby), der Sohn aus Troys erster Ehe, vorbei um sich vom Vater Geld zu leihen, da seine Musiker-Karriere kaum etwas einbringt. Außerdem wohnt noch Troys Bruder Gabriel (Mykelti Williamson) in der Nähe, durch eine Gehinverletzung im 2.Weltkrieg zwar geistig behindert, aber in seinem Wesen und Gehaben harmlos ist. Eine scheinbar ganz normale. schwarze Familie, erst langsam tun sich Risse auf, erweist sich Troy als zwar unterhaltsam-eloquenter, aber auch brutal-autoritärer Vater. Er verhindert eine mögliche Sportkarriere seines Sohns - ob aus Sorge (noch werden Schwarze diskriminiert) oder Eifersucht (er selbt stand einst vor einer Sportler-Laufbahn) bleibt offen. So baut er einen Holz-Zaun um seinen Hof - Symbol für Schutz wie Abwehr. Zur Katastrophe kommte es, als Troy seiner treue Rose gestehen muß, ein Verhältnis mit einer anderen Frau zu haben, die bei der Geburt eines Mädchens starb und er nun dieses Baby in den Haushalt aufnehemen muß. Die Familie zerbricht - auch wenn Rose die Reste noch mühsam zusammen hält. "Fences" ist ein erfolgreiches Theaterstück des afro-amerikanischen Autors August Wilson, 1985 uraufgeführt. Ausgezeichnet mit dem Pulitzer-Preis und vielfach am Broadway gespielt - zuletzt von Hollywood-Star Denzel Washington, der jetzt auch den Film mitproduziert hat, zugleich Regie führt und die Hauptrolle spielt. Seine Inszenierung hält sich eng an die Theatervorlage und verzichtet somit auf die dem Kino eigenen Möglichkeiten. Dafür triumphiert der Film mit großer Schauspielkunst - sprachlich wie mimisch. Natürlich steht der oft in Blockbustern unterforderte Denzel Washington im Mittelpunkt, stattet dieses schwarze Familienoberhaupt mit vielen feinen Nuancen aus: sein Stolz, auf das von ihm errungene Heim, auf Ehefrau, Kinder und Nachbarn - und all das trotz der immer noch existierenden Apartheit in Amerika. Aber auch die Selbstüberschätzung, die Uneinsichtigkeit gegenüber den Bedürfnissen seiner Frau und Kinder, die Selbstgerechtigkeit bis zu seinem tödlichen Schlaganfall. Ihm ebenbürtig in ihrer Präsenz: die Ehefrau Rose der Viola Davis. Im Stück eher als passiv-unterwürfiger Charakter angelegt, verleiht sie dieser Rose große Kraft und viel Temperament sowie eine erstaunliche menschliche Würde. Die übrigen Darsteller ergänzen das Ensemble trefflich. Kein filmisch bedeutendes Opus, aber mitreissendes Schauspieler-Theater. Oscar-Nominiert.
Poster / Verleih: Paramount Pictures Germany
zu sehen: b-ware! ladenkino (dt.und OmU); CinemaxX Potsdamer Platz; CineMotion Hohenschönhausen; CineStar Potsdamer Platz (OV); Eva-Lichtspiele (dt. und OmU); Filmkunst 66 (dt. und OmU); Kino in der Kulturbrauerei (dt. und OmU); Sputnik (dt. und OmU); UCI Friedrichshain; Union Filmtheater
Sex und Gewalt: 'Elle' von Paul Verhoeven***
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Michelle Leblanc (Isabelle Huppert) ist die taffe, nicht mehr ganz junge Chefin eines großen Unternehmens für Compter-Spiele, ebenso pragmatisch wie schlagfertig. Geschieden, lebt sie allein in ihrer großen Pariser Villa. Eines Tages dringt ein maskierter Mann ein und vergewaltigt sie. Doch entgegen dem Rat ihrer engeren Freunde zeigt sie die Tat nicht bei der Polizei an , sie will selbst den Täter aufspüren. Als dieser seine Tat einige Zeit später zu wiederholen versucht, gelingt es Michelle, ihn zu demaskieren. Doch sie geht immer noch nicht zur Polizei, sondern beginnt mit diesem (attraktiven) Mann ein gewagtes Spiel, bei dem sexuelle Fantasie und Gewalt undurchschaubar miteinander verwoben sind. Am Ende bleibt Michelle jedoch die coole Siegerin.
Nach längerer Auszeit meldete sich der inzwischem 77-jährige Regisseur Paul Verhoeven ("Basic Instinct") mit dieser französischen Romanverfilmung beim Festival in Cannes zurück. Als "Erotik-Thriller" angepriesen changiert das Werk elegant zwischen den Genres, zeigt brutale, sexuell aufgeladenen Szenen neben grotesker Gesellschafts-Satire, entäutscht gezielt und provokant Zuschauer-Erwartungen und mixt raffiniert Spannung und Schaulust.
Gebündelt und zusammengehalten werden die unterschiedlichen Facetten in der Figur der Michelle, die in Isabelle Huppert die ideale Verkörperung findet. Nach außen hin die ruhige, selbstsichere Unternehmerin, die auch mit dem etwas beschränken Sohn und ihrer eigenwilligen, an jungen Männern interessierten Mutter souverän umzugehen weiß. Innerlich jedoch vom Trauma geprägt, als 10jähriges Mädchen den in ganzen Land bekannten, mörderischen Amoklauf ihres Vaters verkraften und - durch harte Arbeit und Selbstdisziplin - überwinden zu müssen. Isabelle Hupperts Michelle spielt eine schillernde Persönlichkeit von lässiger Eleganz und überlegener Intelligenz, die aber zugleich unschuldig-mädchenhaft erscheinen kann und einen Rest von Geheimnis bewahrt - vielleicht ihr selbst nicht bewußt.
Um sie herum ein exzellentes Darsteller-Ensemble, prägnant in jeder noch so kleinen Rolle, darunter auch der Berliner Christian Berkel - der hier allerdings 'nur' den Partner ihrer Geschäftsfreundin und dummen Sex-Protz mimen darf.
In Cannes wurde nach der Premiere von "Elle"" viel über Feminismus und Männlichkeits-Fantasien gestritten. Diese Diskussion dürfte auch den deutschen Kino-Start begleiten, doch damit erfüllt sich zugleich eine zentrale Absicht des Regisseurs, nämlich Kontroversen auszulösen - zu welchem Aspekt des Film auch immer.
Poster / Verleih: MFA
zu sehen: Cinema Paris (dt. und OmU); CinemaxX Potsdamer Platz; Eiszeit am Wrangelplatz (OmU); Filmtheater am Friedrichshain; fsk Oranienplatz (OmU);Hackesche Höfe Kino (OmU); Kino in der Kulturbrauerei (dt. und OmU); Moviemento (dt. und OmU); Rollberg (OmU); Yorck